Helsinki, November 2012

Es ist ein klirrend kalter Novembernachmittag, die Sonne steht tief am Horizont. Vor dem unscheinbaren Gemeindebau aus den 1920er Jahren sitzt eine Gruppe von lachenden Männern auf einer schmalen Bank, direkt neben dem Gehsteig, nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet, jeder eine Bierdose in der Hand. Es ist der Eingang zur Kotiharju Sauna, der ältesten öffentlichen Sauna Helsinkis, die noch traditionell mit Holz beheizt wird. Hier versammeln sich Gäste jeden Alters und sozialer Schicht, vereinzelt auch Touristen. Sauniert wird, wie überall in Finnland, wenn es um den engsten Familienkreis hinausgeht, getrennt: die Männer im Erdgeschoß, die Frauen im ersten Stock. Die Originaleinrichtung aus dem Jahr 1928 erinnert an ein altes Sommerbad. Die eigentliche Sauna ist zum Erstaunen keine holzverkleidete Kabine, sondern ein riesiger, gut 4 Meter hoher Raum mit Fenstern, einem Steinbetonboden und Ruß geschwärzten Ziegelwänden. Rund um das Herzstück, den Holzofen, einem übermannshohen Stahlkasten, der vor sich hin glüht und dabei beängstigende Geräusche abgibt, stapeln sich meterlange Holzscheite, es riecht wie in einem Sägewerk. Wer reinkommt, dreht erstmal kurz an einem kleinen Hahn, der für den Laien unsichtbar an der Seite des glühenden Monsters angebracht ist, und lässt damit Wasser in das Innere fließen, was den Ofen beinahe zum Explodieren bringt. Dann setzt man sich hin, genießt, geht raus, nimmt eine Dusche, geht wieder rein. So verbringt man den ganzen Nachmittag, die Herren von lautem Gelächter begleitet, die Damen bei leisem Tratsch.

Ein Leben ohne Sauna wäre für die Finnen undenkbar, sie gehört zum Alltag wie Essen und Trinken. Auf 5,1 Millionen Einwohner kommen angeblich 1,7 Millionen private Saunen, das bedeutet, dass jeder dritte Finne eine Sauna besitzt. Das Saunieren ist aber nicht nur ein privates Vergnügen, es ist ein Teil der öffentlichen Kultur der Finnen und ihres Soziallebens. Man geht in die Sauna, um Freunde zu treffen oder Geschäfte zu machen. Mobile Saunen auf fahrbaren Anhängern werden tageweise vermietet: für Geburtstagsfeiern, Weihnachtsfeiern, ja sogar Hochzeiten. Als kleine Hütten mit Giebeldach oder in runder Ausführung, als liegende Tonnen. Viele  Firmen leisten sich neben Konferenzräumen Saunen, und selbst in die hohe Politik hat die Saunakultur Einzug gehalten: Zur Ausstattung des finnischen Parlamentsgebäudes gehören ein Schwimmbad und eine Sauna. Dort sind, nackt und bar jedes Status- und Machtsymbols, alle gleich. Das erleichtert das Verhandeln. Nikita Chruschtschow, Helmut Kohl und Michail Gorbatschow kamen auf diese Weise bereits ordentlich ins Schwitzen.

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Dem Helsinki-Besucher bietet sich das heiße Vergnügen auch ohne großem Aufwand, wenn auch mit weniger Lokalkolorit, in einer der unzähligen Hotelsaunas an. Denn eine solche gehört standardmäßig zu jeder besseren Hotelausstattung. Wer das nötige Kleingeld aufbringt, mietet sich in einer Suite mit zimmereigener Sauna ein. Zum Beispiel in der Presidential Suite im Radisson Blue Royal Hotel, der Executive Suite im Kämp Hotel, oder der Junior Suite im Sokos Hotel Helsinki. Letzteres bietet auch eine VIP-Sauna am Dach des Hauses zur stundenweise Miete an, mit zwei Terrassen und Platz für bis zu zehn Personen. Vielleicht ein Idee für die kommende Familienweihnachtsfeier?