Pioneertown, Californien, April 2013
Off-grid in der kalifornischen Wüste

Soweit das Auge reicht, dehnt sich um 360 Grad eine Wüstenlandschaft aus, die von mächtigen Steinhügeln, Kakteen, Buschgewächsen und blühenden Yucca-Bäumen durchzogen ist. Das letzte Haus an der welligen Sandstrasse, die hier durchführt, eine Ranch mit dem klingenden Namen „Atomic Ranch“ liegt bereits mehrere Kilometer zurück. Hier funktioniert kein Navi mehr, auch kein Telefonsignal. Die einzige Orientierung ist eine kleine Handzeichnung, die wir noch in der Zivilisation per email empfangen und ausgedruckt hatten. Plötzlich, hinter einer Kurve, auf einem Hügel thronend, steht er, der gläserne Bungalow, der unser Feriendomizil für die nächsten Tage sein sollte. Wie ein Ufo scheint er hier fremd gelandet zu sein. Die Besitzerin, Linda Taalman, eine Architektin aus Los Angeles, hat dieses Musterhaus für einen Serienbungalow, der komplett auf Selbstversorgungsbasis, also „off-grid“ funktioniert, entworfen und entwickelt.




Die „Hi-Desert“, von Los Angeles in rund drei Stunden über die Route 66 erreichbar, heißt ihre Besucher willkommen, so sagt es zumindest der Name. Tatsächlich ist es eine eigenwillig anziehende Landschaft und Lebensweise, die man hier vorfindet. Im Joshua Tree National Park, dem Herzstück mit über 2.000 m2 unberührter Wildnis, kommen zwei Wüstenlandschaften und Ökosysteme zusammen: die Colorado Wüste mit ihren ungeheuren Granitsteinformationen und den namensgebenden, im Frühling blühenden Joshua-Bäumen sowie die Mojave Wüste mit den gelb blühenden Kreosotbüschen und den bis zu zwei Meter hohen Cholla Kakteen, die durch ihr dichtes, weißes Stachelkleid bezaubern. Dazwischen Lehrpfade, Kletter-Routen, Ranger-Stationen, Palmenoasen und Picnic-Plätze. Eine freundliche Wüste.



Zahlreiche Künstler haben  ihre heimlichen Refugien in der Hi-Desert, abseits vom kalifornischen Mainstream-Tourismus und Hollywood-Glamour des nahe gelegenen Palm Springs, wenn auch der Film seine sichtbaren Spuren hinterlassen hat. 

In der Wüstenstadt Pioneertown etwa, die in den 1940er Jahren als Filmkulissenstadt für Western-Produktionen erbaut wurde, von einem Investorenkonsortium rund um Roy Rodgers, den King of the Cowboys. Im Gegensatz zu reinen Kulissen waren aber die Häuser in Pioneertown „echte“, das heißt fest gebaute und bewohnbare Häuser, sodass der kleine Ort entlang einer Sandstrasse heute noch genauso aussieht wie 1940, aber regulär bewohnt ist. 
Denn nach Abzug der Westernindustrie wurden die einzelnen Objekte an Privatpersonen verkauft, oder einfach stehen gelassen und in Besitz genommen, zwischen Pferdetränken und anderen Requisiten, die einen skurilen Skulpturenpark ergeben. 



Was ehemals der Filmcrew als Restaurant, Bowling Bar, Barber Shop oder Postamt diente, ist heute wieder in Betrieb, wie etwa auch das berühmte Restaurant „Pappy & Harriet´s“ im ehemaligen Pioneertown Palace. Man serviert den ganzen Tag über herrliche Hamburger und Steaks, abends spielt eine Live-Band. Das Publikum ist eine Mischung aus Künstlern und zeitgenössischen Cowboys und –girls jeden Alters. 

Im nahe gelegenen Yucca Valley, direkt an der Route 66, kommen Vintage-Fans auf ihre Rechnung. Im alten Stadtteil, wo sich ein Antiquitätenladen nach dem anderen reiht, findet man neben universellem Krims Krams so manche historische Hollywood-Requisiten und Kostüme. „Come for a Day, Stay for a Lifetime“ wirbt der lokale Wirtschaftsverband. Das funktioniert.