Masai living - Part 2


Kenia, August 2011

Leuchtendrot, untermischt mit kobaltblauen und schwarzen Karos, durchzogen mit feinem Grün- und Gelbstreif, so liegen sie vor uns, die großen Baumwolltücher. „Die hat gerade ein Modedesigner als Vorlage verwendet“, lacht uns Tom an und zeigt uns, wie man sie um den Körper bindet. Gehüllt in zwei dieser Tücher, eines knielang als Rock, das andere als Umhang um die Schulter geworfen, am Hals und an den Hand- und Fußgelenken breite Schmuckbänder aus unzähligen kleinen bunten Glasperlen geflochten, schwarze Ledersandalen und einen mannshohen Speer in der Hand, ist Tom, der schlanke hochgewachsene Masai, eine durch und durch elegante Erscheinung. Wir lernen ihn bei einer Safari in Kenia kennen, in einem Camp in Tsavo West. Tom stammt aus einem Masai-Dorf in Amboseli. Fliegt man von Tsavo West nach Amboseli, westwärts, so sieht man die Masai-Dörfer aus der geringen Flughöhe der kleinen Propellermaschine, wie sie hier bei den Flugsafaris üblicherweise im Einsatz sind, sehr gut. Wie minimalistische Kalligraphien nehmen sie sich in der kargen Savannenlandschaft von oben aus. Aus Steinen gelegte Kreise, an deren Rand die kleinen Lehmhütten rundum angeordnet sind, mit einem weiteren kleinen Innenkreis, wo die Ziegen und Schafe hausen.
Einige dieser Masai-Dörfer sind durch den Safari-Tourismus reich geworden, da die Camps auf ihren Grundstücken stehen, und eine Abgabe zahlen müssen, rund 30$ pro Besucher, was für afrikanische Verhältnisse ein Vermögen ist. Das Geld wandert zumeist in den Aufbau von Schulen. So erhalten immer mehr Masai eine Ausbildung und Jobs in den Camps und Lodges, wo sie sich im Kontakt mit den Touristen rasch die westlichen Gepflogenheiten und Sprachen aneignen, ohne ihre primitive Kultur, die sie weiterhin mit Stolz pflegen, aufzugeben.

So auch Tom. Auf einer Fußpirsch macht er uns mit der Lebensweise seiner Stammeskultur vertraut, lehrt uns die Natur zu lesen und die grundlegenden Überlebensregeln zu verstehen. Was wir sehen und hören, ist beeindruckend. Die eigentliche Faszination liegt aber darüber hinaus in der ungeheuren Sensibilität, Offenheit und Intelligenz, mit der er uns begegnet. Wortgewandt, unaufdringlich, und gleichzeitig sehr zutraulich, gewinnt er unser Interesse und Vertrauen. Geschickt stellt er uns immer wieder Fragen, um zu überprüfen, ob wir verstanden haben, aber gleichzeitig auch um unsere Denkweise nachzuvollziehen.


Abends, am Lagerfeuer, geht unsere Unterhaltung weiter. Während Tom das Feuer schürt, wandert sein Blick unaufhörlich in der vor uns im Dunkeln liegenden Wildnis auf und ab. Die Masai übernehmen im ungezäunten Camp ab Einbruch der Dunkelheit den Wach- und Sicherheitsdienst, so lange bis am Morgen die Sonne aufgeht. Jeder Besucher wird auf Schritt und Tritt begleitet, das Zelt von außen beim Schlafengehen zugezippt, die Petroleumlampe auf der kleinen Veranda angezündet. Wer in der Nacht Angst bekommt, hat eine Trillerpfeife neben sich liegen, auf deren Signal hin der Masai sofort erscheint. Wir legen uns unbesorgt nieder und schlafen prächtig. Am nächsten Morgen hören wir beim Frühstück von den nächtlichen Gästen: den Zebras und der Giraffe, die am Eingang zum offenen Hauptzelt ob ihres langen Halses steckengeblieben ist. Und wir hören von früheren Geschichten,  etwa von den mit den Sofakissen spielenden Löwen, die die Masai, so wie alles bisher, gut im Griff hatten, aufgewachsen mit allen Gefahren der Natur.